Donnerstag, 24. Mai 2012

Sundance oder die Materialschlacht am Berg

Dass Mountainbiken nicht all zu viel mit Rennradfahren gemeinsam hat, läßt sich erahnen, wenn man die beiden Fahrradtypen nebeneinander betrachtet.
Es braucht wohl kein geschultes Auge, und selbst der Laie erkennt, dass es hier um zwei verschiedene Welten des Radfahrens geht. In Ansätzen war mir dies vor zwei Jahren bewusst geworden, als ich mit einem meiner Schwäger am Gardasee das Gebiet am Monte Baldo befuhr.
Unwegsame Schotterpisten, viel zu steile Rampen und Unmengen von Steinen, die sich da vor uns auftürmten. Ein ausgetrocknetes Gebirgsbachbett gab mir damals den Rest. Ich schob das gute Rad den Hang hinab und schwor mir, so schnell kein Mountainbike mehr zu besteigen.

Gestern morgen lockte die Sonne schon früh um sieben die Urlauber mit seniler Bettschwäche - und mich - an den Berg.
Christoph's BikeAcademy (http://www.bikeacademy-meranerland.com) plante eine geführte Mountainbike-Tour ins Hinterland von Schenna.
Ausgerüstet mit einem Fully-XY-Gedöns mit Shimano Schnick-Schnack, 2 Powergels in den Trikottaschen und einer gut mit Bergwasser gefüllten Trinkflasche ging es um 9:30 Uhr vom asphaltierten Hof der Academy ins Gelände. In meiner Gruppe mühten sich neben mir noch ein starker Förster aus dem Schwarzwald, der Hausmeister des Hotels und eine zugreiste Münchnerin. Der Schwarzwälder floh vor seiner Familie, die Münchnerin vor ihren Eltern und der Hausmeister vor der Arbeit. Das erfuhr ich alles häppchenweise während der sechsstündigen Ausfahrt - mehr- oder weniger freiwillig. Nach ein paar Kilometern durch die Apfelplantagen gelangten wir zur Talstation von Meran2000, von wo aus uns die Seilbahn auf 2000m Höhe brachte.
Ich glaube nicht, dass alle Lokalitäten, die ein "2000" im Namen tragen, 2000m hoch gelegen sind, aber hier trifft es ausnahmsweise mal zu. Oben angekommen erwartete uns auch gleich die erste Rampe. Rampe heisst bei Mountainbikern soviel wie: fahr die Wand hoch!
Wegen mangelnder Fahrtechnik hob mein Vorderrad permanent vom Boden ab oder aber fuhr einfach nicht geradeaus. Am steilsten Stück, mitten auf der Eisplatte stieg ich dann zum ersten mal frustriert vom Rad. Hätte ich da schon gewußt, dass mir das an diesem Tag noch minestens 20 mal passieren würde, ich wäre sicherlich viel cooler geblieben und hätte die fiese Kurve locker gemeistert.
Nun denn - so galt es geduldig zu bleiben, die Kräfte zu dosieren und immer schön zu Kurbeln.
Zur Belohnung rollten wir auch gleich zwei Kehren weiter auf die Sonnenterasse der Meraner Hütte und gönnten uns italienische Heissgetränke oder selbstgemachte Buttermilch aus Eimern. Christoph, unser Tourguide, erklärte uns in feinstem Hoch-Südtirolerisch das zu bestaunende
Bergpanorama. Er beantwortete auch tapfer all jene bestimmt schon tausend Mal gestellten Touristenfragen, wie zum Beispiel, ob denn auf den Gipfeln dahinten immer Schnee liege. Ist natürlich nicht so - alles nur weiß angestrichen. Also ich finde, die Witze der Mountainbike-Guides, Skilehrer, Surflehrer, etc. waren auch schon einmal besser.
Zwischen dieser und der nächsten Pause kam ein Teil, den ich lieber aus meinem Gedächtnis streichen möchte. Steine in allen Formen und Größen, Sand und Matsch, ein Weg, der maximal 50cm breit war und natürlich bergauf ging. Schlimmer wurde es allerdings, als der Weg wieder bergab ging, denn da geriet ich endgültig an meine fahrerischen Grenzen. Po nach hinten, Pedale parallel, Gewicht auf die Beine und vorausschauend fahren. Ojeh!
Wenn man sich die Pedale oft genug gegen die Wade rammt, sieht das am nächsten Tag (also heute!!!) nicht schön aus. Aber um Schönheit ging es hier schon lange nicht mehr. Hausgemachter Apfelstrudel mit Sahne auf der sonnenverwöhnten Alm entschädigte immerhin ganz gut. Dazu ein Sportwasser und der ab heute obligatorische 'Macchiato' - die In-Getränke der Süd-Tiroler. Obs das Sportwasser auf die Kö schafft möchte ich bezweifeln, aber Zeit, die Dauerbrenner Apfelschorle und Rhabarberschorle abzulösen wäre es.
Wir pausierten laaaange. Brauchten wir aber auch, da die Südtiroler Guides (es gab noch einen zweiten, der mit einer schnelleren Gruppe fuhr) noch langsamer reden als der gewöhnliche Rheinländer. Und Schwaben hatten wir ja auch noch. Nachdem jeder von den sportlichen Höchstleistungen seines bisherigen Lebens berichtet hatte, gings zurück uns Tal. Diesmal über gut ausgebaute Waldwege und zum Schluss sogar über asphaltierte Strassen. Ich war heilfroh, am Ende der Route doch noch ein wenig "richtig" Radfahren zu können und belohnte mich standesgemäß mit einem großen Radler.
Die große Liebe habe ich mit dem Mountainbiken wohl nicht entdeckt, aber einen Tag voller Sonne, atemberaubender Bergwelt und halsbrecherischen Kurbelmanövern kann mir keiner mehr nehmen.

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